Beyond the Buzzword-Bingo: Digitale Nachhaltigkeit

Karl Digital #6 fragte, wie eigentlich Digitalisierung und Klimawandel zusammenhängen. Die Veranstalterin, die Digitale Gesellschaft, lud mich ein, einen Workshop zum Thema Digitale Nachhaltigkeit zu halten. Ich entwickelte ein Buzzword-Bingo zu diesem Thema und fragte gleichzeitig mich und das Publikum: Was bleibt eigentlich darüber hinaus von „Digitaler Nachhaltigkeit“ übrig?

Digital und Nachhaltigkeit, das sind zwei Schlagwörter. Als ich sie erforschte, stiess ich auf einige Schlagwörter mehr. Ein Buzzword-Bingo bot sich an, um das Thema zu ergründen. Es war insbesondere spannend, verschiedene Ansichten zu Digitaler Nachhaltigkeit anhand des Bingos zu vergleichen – schliesslich sind ja Schlagwörter immer nur so viel Wert wie der Inhalt, mit dem man sie füllt.

Ich wählte die folgenden beiden Konzepte:

Gemeinsam mit dem Publikum spielten wir das Buzzword-Bingo anhand der beiden Konzepte – mit dem folgenden Resultat:

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Es zeigte sich, dass Parldigi als überparteiliche Gruppierung ein sehr technisches Verständnis von Digitaler Nachhaltigkeit pflegt. Es steckt ein ganzes technisch-wissenschaftliches Konzept dahinter. Nachhaltig soll die Herstellung der (immateriellen) Produkte sein – im Gegensatz zum nachhaltigen Verbrauch von natürlichen Ressourcen. Bits und Bäume hingegen verknüpft die Digitale Nachhaltigkeit explizit mit dem Ziel der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit (Umweltschutz, Menschenrechte, …).

Ausserdem identifizierten die Teilnehmenden in einer lebhaften Diskussion verschiedene Begriffe und Aspekte, welche in beiden Konzepten fehlten. Merke: Grosse Begriffe wie Digitale Nachhaltigkeit sind immer nur so gut wie der Zweck, für den man sie einsetzt.

Danke allen Teilnehmenden für ihr Mitmachen und Mitdenken! Und danke auch an Nana Karlstetter und Dimitri Rougy für ihre Beiträge und die interessanten Diskussionen auf dem Podium vor dem Workshop.

Workshop: Big Data in den Sozialwissenschaften

Am 28. November 2019 war ich bei Interface (Unternehmen für Politikevaluation und -beratung) in Luzern eingeladen, einen Weiterbildungsworkshop zu leiten. Dieser stand unter dem Titel: Big Data in den Sozialwissenschaften.

(1) Was ist Big Data?

10 Charakteristika (Salganik 2018:17ff):

  • Big:
    Large datasets are a means to an end; they are not an end in themselves.
  • Always-on:
    Always-on big data enables the study of unexpected events and real-time measurement.
  • Nonreactive:
    Measurement in big data sources is much less likely to change behavior.
  • Incomplete:
    No matter how big your big data, it probably doesn’t have the information you want.
  • Inaccessible:
    Data held by companies and governments are difficult for researchers to access.
  • Nonrepresentative:
    Nonrepresentative data are bad for out-of-sample generalizations, but can be quite useful for within-sample comparisons.
  • Drifting:
    Population drift, usage drift, and system drift make it hard to use big data sources to study long-term trends.
  • Algorithmically confounded:
    Behavior in big data systems is not natural; it is driven by the engineering goals of the systems.
  • Dirty:
    Big data sources can be loaded with junk and spam.
  • Sensitive:
    Some of the information that companies and governments have is sensitive.

big-data-charakteristika

Neue Möglichkeiten

  • Re-Integration von quantitativer und qualitativer Expertise: gemeinsame Nutzbarmachung quantitativer (quantifizierte Daten, Umgang mit statistischer Software) wie qualitativer Kompetenzen (interpretative Kompetenzen, Vielfalt von Datensorten: neben Zahlen, Text, Bilder, Videos, etc.)
  • Erweiterung des Methodenwissens
  • Überwindung von Disziplinengrenzen und Kollaboration mit Natur- und Technikwissenschaften

Neue Stolpersteine und ungelöste Fragen

  • Gefahr neo-positivistisch-technokratischer Evidenzproduktion ohne Berücksichtigung sozialer Kontexte
  • ‘Kolonisierung’ der Sozial- durch Technikwissenschaften (zum Beispiel aktuelle Situation im Feld Computational Social Science) – interdisziplinäre Zusammenarbeit ist bisher eher die Ausnahme
  • Dominanz von Open Data (und anderen “Open-Feldern”: Open Science, Open Government etc.) > der grosse “Datenschatz” ist heute privatisiert
  • Infrastrukturen für entsprechende Forschung/Datenzugänge
  • Wer ist für die ethischen Fragen zuständig?

 

(2) Die Rolle der Sozialwissenschaften

  • ‘Domain knowledge’ natürlich 🙂
    grosse Datensätze werden fast ausschliesslich in heterogenen Teams zusammengesetzt aus verschiedenen Disziplinen bearbeitet. Sozialwissenschaftliche Expertise je nach Thema sehr wichtig
  • Verständnis für Methoden, Vorgehens- und Denkweisen der anderen Disziplinen
  • qualitativ-evaluative Expertise in den quantifizierenden Diskurs einbringen;
    > kritischer Blick auf Prozesse der Datenkonstruktion – welche sozialen und soziotechnischen Prozesse haben Daten mitgeformt statt objektiv abgebildet zu werden?

Herausforderung: Methoden- und Informatikwissen tendenziell ausbauen, ohne allerdings zur reinen ‘sozialen Physik’ (Pentland) zu verkommen.
Beispiel: Der Lucerne Master in Computational Social Sciences, der seit Herbst 2019 an der Universität Luzern angeboten wird.

 

(3) Aktuelle Forschungsfragen

Methoden:
Methodische Fragen und Probleme in verschiedenen Disziplinen, beispielsweise empirische Sozialforschung:

  • wie fehlende/mangelnde Kausalität oder Inferenz von Big Data
  • neue Modi der Datenerhebung (Apps)
  • «text as data» als methodische Herausforderung aufgrund der interpretativen Offenheit, die bestehen bleibt bei Verfahren computergestützter Textanalyse

Algorithmen:
In den letzten 2 bis 3 Jahren ist die Aufmerksamkeit für Algorithmen stark gestiegen, insbesondere Fairness-, Accountability- und Transparency-Aspekte werden vermehrt erforscht/thematisiert.

 

(4) Hands-On!

 Daten

Open-Data-Repositorien:

 

Social Media:

 

Sonst im Netz:

 

Werkzeuge

  • R ist heute für statistische Auswertungen die gängige Programmiersprache
    > R-Studio als Programmier-Umgebung
    > Es gibt gute Packages für Visualisierungen der Auswertungen (ggplot2) und auch Textanalyse
    > Heute wird Statistik an der Uni mit R gelehrt und gelernt
  • Python ist heute unter Data Scientists die verbreitetste Programmiersprache

 

In einem ersten Schritt: Mitreden können in den spezifischen Programmiersprachen-Communities ist der erste und wichtigste Schritt!

Auf diesem Grundstock kann man dann für spezifische Interessen und Projekte sein Wissen vertiefen und Packages nach seinen Bedürfnissen suchen.

r-python

Wichtig zudem:

 

Wie einsteigen?

Matt Salganik (2018): Bit by Bit. Social Science Research in the Digital Age. Princeton: Princeton University Press.
https://www.bitbybitbook.com/

Etwas theoretischer:

Noortje Marres (2017): Digital Sociology. The Reinvention of Social Research. Cambridge: Polity.
http://noortjemarres.net/index.php/books/

Kurz-Interview: Was tut unser Forschungsprojekt?

Das Dach meines Forschungsprojekts („Facing Big Data: Methods and skills needed for a 21st centruy sociology“), das NFP75, hat nun eine Dialogplattform. Dort habe ich für einige Fragen Red und Antwort gestanden. Du findest eine Kopie des Interviews untenstehend.

Und: Du kannst dich mit deinen Fragen zu Big Data nun aus der Deckung wagen. Die Dialogplattform verfügt über ein einfaches Online-Formular und verspricht, auf alle Fragen fundierte Antworten einer Expertin oder eines Experten zu suchen. Loslegen!


12. November 2018

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Projekt, und was haben Sie bereits realisiert?

Rahel Estermann: Das Projekt untersucht den digitalen Wandel in den drei Feldern Soziologie, Datenjournalismus und Data Science im Hinblick auf die dort genutzten und notwendigen Methoden, Fähigkeiten und analytischen Werkzeuge und zeichnet den aktuellen Stand und Entwicklungslinien auf.

In allen drei Teilprojekten, die sich mit je einem der drei genannten Feldern beschäftigen, läuft die Erhebung von Daten, erste Analysen wurden durchgeführt. Alle drei Projekte kombinieren verschiedene Methoden, seien sie quantitativ (Sammlung und Analyse von Job-Inseraten oder Lehrplänen, text- und netzwerkanalytische Auswertungen) oder qualitativ (Interviews, ethnografische Feldbeobachtung, Dokumentenanalyse). In einem iterativen Prozess werden Erkenntnisse aus dem Feld mit theoretischen Angeboten abgeglichen und gedeutet – um danach weitere Schritte im Untersuchungsfeld zu planen.

Alle Forschenden präsentieren ihren aktuellen Stand des Projekts immer wieder durch Vorträge im Rahmen von Konferenzen, teilweise auch bereits in Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften.

«Big Data» ist nicht einfach ein technisches Phänomen, sondern erweitert die Möglichkeiten, wie wir die Welt sehen und Wissen darüber gewinnen können.

Worauf sind Sie und Ihr Team besonders stolz?

Rahel Estermann: Wir thematisieren als eines der wenigen Projekte im Rahmen des NFP75 grosse Datenmengen aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. «Big Data» ist nicht einfach ein technisches Phänomen, sondern erweitert die Möglichkeiten, wie wir die Welt sehen und Wissen darüber gewinnen können. Wir sind stolz darauf, dass der SNF uns darin unterstützt, die Methoden, Fähigkeiten und Werkzeuge zu erforschen, die in verschiedenen Feldern im Zusammenhang mit «Big Data» angewendet werden – und dass diverse Wissenschaftler*innen wie auch Journalist*innen uns in den Einzelprojekten unterstützen, indem sie uns Zugang zu ihrem Arbeitsalltag gewähren. Der Vergleich über verschiedene Felder ermöglicht uns immer wieder, übergreifende Muster bzw. Spezifitäten zu erkennen und zu diskutieren.

Welche Veränderungen bewirkt Ihr Projekt?

Rahel Estermann: Unser vertiefter Blick auf die neuen Chancen und Herausforderungen, vor denen Soziologie, Datenjournalismus und Data Science durch die Verfügbarkeit grosser Datenmengen stehen, liefert nicht nur Erkenntnisse dazu, wie die Digitalisierung Prozesse der Wissensgenerierung verändert, sondern begleitet diese Veränderungen zudem kritisch. Unsere Gesellschaft braucht nicht nur Wissen über jene soziotechnischen Veränderungen, die wir Digitalisierung nennen, sondern auch eine kritische Überprüfung jener, die diese Prozesse mit «digitalen Methoden» erklären und mitgestalten. Von welchen (mal mehr mal weniger) neuen Methoden, Fähigkeiten und Werkzeugen unserer drei Felder können auch andere gesellschaftliche und wissenschaftliche Bereiche profitieren? Welche Praktiken und Konventionen gilt es jedoch auch kritisch auf ihre Sensibilität bezüglich der sozialen Konstruktion von «Big Data» und Co. zu überprüfen? Dank unseren Erkenntnissen können wissenschaftliche und gesellschaftliche Felder ihre methodischen Zugänge überprüfen und erneuern und Lernenden entsprechende Fähigkeiten vermitteln.

Dank unserem NFP75-Forschungsprojekt habe ich die Gelegenheit, meiner Neugier über die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft, Technologie und Medien über mehrere Jahre freien Lauf zu lassen – ein Privileg!

 

Was bedeutet das NFP 75 für Sie?

Rahel Estermann: Dank unserem NFP75-Forschungsprojekt habe ich die Gelegenheit, meiner Neugier über die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft, Technologie und Medien über mehrere Jahre freien Lauf zu lassen – ein Privileg! Ich verfüge über die Zeit, sehr aktuellen und relevanten Phänomenen auf den Grund zu gehen, meine Hypothesen immer wieder an Theorien und Erkenntnissen zu überprüfen und zu überarbeiten. Der Austausch mit den über dreissig anderen Projekten und ihrer Forschung bedeutet einen Wissensvorrat, den wir mittels Austausch und Diskussionen immer wieder nützen. So kommen verschiedenste Perspektiven auf das Phänomen «Big Data» zusammen – horizonterweiternd!

Was würde fehlen, wenn es Ihr Projekt nicht gäbe?

Rahel Estermann: Wir beleuchten «Big Data» von einer anderen Seite als viele technische und naturwissenschaftliche Projekte. Daten sind aus unserer Sicht nicht «roh», sondern werden in gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Kontexten erschaffen. Unser Blick in die Konstruktion von Daten und Wissen daraus schärft das Bewusstsein für die grosse Rolle von Methoden und Werkzeugen der Datenverarbeitung. Sie erst ermöglichen die Nutzbarmachung von Daten – das war schon früher so.
Unsere sozialwissenschaftliche Perspektive auf grosse Datenmengen stellt uns deshalb auch immer wieder vor die Frage, ob Digitalisierung wirklich alles neu macht – was verändert sich wirklich? Welche Bereiche unseres Zusammenlebens sind davon betroffen? Und mit welchen Werkzeugen haben wir uns früher Daten zunutze gemacht, und mit welchen heute?

Uni an der kurzen Kosten-Leine

Die Universität Luzern füllte dieses Jahr die Nachrichtenlücken der Sommerzeit: Da wird ein Professor fast fristlos entlassen, ein bisher einmaliger Vorgang an der traditionsreichen theologischen Fakultät. Was als harmlose Mitteilung im Mitarbeitenden-Newsletter begann, entfachte sich im trockenen Nachrichtenklima bald zu einem Flächenbrand: Die Luzerner Zeitung spekulierte über Probleme mit des Professors Führungsstil. Die NZZ zerrte einen weiteren Abgang ans Licht und begründete beide Fälle mit der schweren Geburt des Zentrums für komparative Theologie. Auf zentralplus schliesslich durfte ein (anonymer) Mitarbeitender munter den fakultätsinternen Futterneid ausbreiten.

Neben dem image-technischen Super-GAU für die Universität Luzern – welche Erkenntnisse lassen sich aus dem theologischen Sommertheater ziehen? Ein Urteil über mögliches Fehlverhalten – wer, wann, was, warum – scheint unmöglich: Es stehen Aussagen gegen Aussagen. Obwohl ich selbst an der Universität Luzern arbeite, Tür an Tür mit den Theolog*innen, fehlt mir der Einblick in deren Fakultät.

Die Akteure und Abteilungen kämpfen um Macht und Ressourcenverteilung, um Mitsprache und Büroräume.

Was uns die Geschichte bietet, ist ein Einblick in das Universitäts-Innenleben. Die Vorgänge an der theologischen Fakultät, welche nun in Bruchstücken bekannt werden, kennt wohl jede*r, der mal an einer Universität arbeitete: Die Akteure und Abteilungen kämpfen um Macht und Ressourcenverteilung, um Mitsprache und Büroräume. (Obwohl mir schleierhaft ist, welcher Büro-Standort an der Luzerner Universität denn nun so viel besser ist als andere… Aber darum geht es hier nicht.)

Du denkst jetzt: Nun gut, solche Aushandlungen kennen die meisten Unternehmen und Organisationen. Das ist richtig. Aber zwei Faktoren verschärfen die Ausgangslage an der Universität Luzern:

  1. In einer akademischen Karriere darf man nicht stehen bleiben:
    Akademische Berufsfelder sind hochkompetitiv. Je weiter oben auf der Karriereleiter, desto dünner die Luft. Diese aus vielen Berufen bekannte Situation spitzt sich dadurch weiter zu, dass man im deutschsprachigen Raum auf dem akademischen Karriereweg nicht stehen bleiben kann – jedenfalls nicht, bevor man eine Professur innehat. Meistens sind die Arbeitsverträge befristet und man muss sich andauernd um weitere Projekte und Anstellungs-Finanzierungen kümmern. Und die eigene Forschung vorantreiben und verkaufen. Das bedeutet, wer im akademischen Bereich bleiben will, ist ständig um die eigene Profilierung bemüht. Und fragt sich: Welche Kooperationen nützen mir? Mit welchen Themen kann ich mich bei wem und wo klug positionieren? Und aus welchem Bereich halte ich mich lieber raus? Akademische Forschung, der ganze akademische Betrieb, ist durchsetzt mit vielen, oft impliziten Regeln und Vorgaben – und damit auch voller Stolpersteine.
  2. Die Uni Luzern wird vom Kanton an der kurzen Kosten-Leine gehalten:
    Der Kanton freut sich, eine Universität in seinem Portfolio zu haben – aber bitteschön soll sie möglichst wenig Kosten! Der Kanton versucht seit mehreren Jahren, seinen Beitrag an die Finanzierung der Institution – die sogenannte „Kostenabgeltungspauschale des Kantons Luzern an die Universität“ – zu verkleinern. Nun ist es so, dass die Luzerner Uni wächst. Der Kanton hat zwar in den letzten Jahren seinen Beitrag erhöht, aber da mit der Uni auch ihr Budget wächst, verkleinerte sich der Finanzierungsanteil des Kantons über die letzten Jahre stetig:uni-finanzierung_ausschnitt
    (mit diesem Link gelangst du zur vollständigen Grafik)

    Der Kantonsbeitrag ist den Launen und der steuerstrategischen Grosswetterlage im Luzerner Kantonsparlament ausgesetzt – so hatte der bisherige Finanzierungstiefpunkt (2016) seinen Grund im ausgiebigen kantonalen Sparprogramm. Ein Blick an zwei andere Schweizer Universitäten verdeutlicht die kurze Kosten-Leine in Luzern: In Zürich finanziert der Kanton 43 % (2017) der lokalen Universität, in Basel steuern die beiden Halbkantone zusammen über 45 % (2017) der Erträge bei.

    Der Kanton geizt mit seinen Mitteln – und strebt trotzdem gemeinsam mit der Universitätsleitung einen Ausbau des akademischen Angebots an. Besonders augenfällig sind diese Entwicklungen in der letztgültigen Leistungsvereinbarung zwischen Universität und Kanton für die Periode 2015 bis 2018. Diese sah an zahlreichen Orten einen Ausbau des Angebots und steigende Studierendenzahlen vor – bei gleichzeitig leichtem Rückgang des Kantonsbeitrags (S. 9 – in Realität wuchs der Kantonsbeitrag dann trotzdem). Da verwundert es nicht, wenn dann beispielsweise die Graduate School (das Nachwuchs-Förderungs-Institut der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät) ihre Leistungen für Doktorand*innen abbaut, während das Papier vorsah, dass genau dieses Angebot ausgebaut werden soll (S. 7).

    So läuft das in Luzern: Der Uni-Ausbau als Sparprojekt.

     

    Das bedeutet für die Universität: Drittmittel her! Der Aufbau der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät erfolgte auf Geheiss des Kantons gleich komplett ohne kantonale Beiträge – deshalb zieren nun diverse, teilweise anonyme Donator*innen den Uni-Jahresbericht 2017. Aber der Kanton hat seine Ziele erreicht: Für die zusätzliche Fakultät kein Geld ausgegeben – respektive sogar gespart, weil nun einige Wirtschaftsstudent*innen weniger auswärts studieren (und Luzern deshalb für sie keine Beiträge an andere Kantone entrichten muss). Und die Zahl der Studis soll natürlich weiter wachsen – da darf man ruhig auch mal die Gepflogenheiten ritzen und den anderen Universitäten mit viel Werbung die Frischlinge wegschnappen. So läuft das in Luzern: Der Uni-Ausbau als Sparprojekt. Und gespart wird hier bekanntlich um fast jeden Preis.

Diese beiden Faktoren beeinflussen das Arbeiten und Forschen an der Uni Luzern. Gestritten um Ressourcen wird an allen Universitäten. Aber im Kanton Luzern ist der Kuchen, der verteilt wird, etwas kleiner. Und das Strampeln um Prestige, externe Fördermittel und Studierende etwas strenger.

Ein solches Klima provoziert Reibungsflächen. Ob darin der entlassene Theologie-Professor und/oder andere Uni-Angehörige die Grenzen des Erlaubten überschritten haben, wird sich weisen. Der nächste Akt ist eröffnet, und dank meinem Kollegen Urban Frye hat die Politik nun die Bühne betreten. Schön wäre es, wenn Luzern als Trägerkanton der Universität nicht nur im Fall des Theologie-Professors seinen Verpflichtungen nachkäme, sondern ganz generell. In Form von genügend finanziellen Ressourcen. Und dem Stolz, in Luzern auf kleiner, aber leuchtender Flamme wissenschaftliches Denken und Schaffen zu fördern. Dieser Stolz würde die akademischen Geister in Luzern bestimmt beflügeln.