Uni an der kurzen Kosten-Leine

Die Universität Luzern füllte dieses Jahr die Nachrichtenlücken der Sommerzeit: Da wird ein Professor fast fristlos entlassen, ein bisher einmaliger Vorgang an der traditionsreichen theologischen Fakultät. Was als harmlose Mitteilung im Mitarbeitenden-Newsletter begann, entfachte sich im trockenen Nachrichtenklima bald zu einem Flächenbrand: Die Luzerner Zeitung spekulierte über Probleme mit des Professors Führungsstil. Die NZZ zerrte einen weiteren Abgang ans Licht und begründete beide Fälle mit der schweren Geburt des Zentrums für komparative Theologie. Auf zentralplus schliesslich durfte ein (anonymer) Mitarbeitender munter den fakultätsinternen Futterneid ausbreiten.

Neben dem image-technischen Super-GAU für die Universität Luzern – welche Erkenntnisse lassen sich aus dem theologischen Sommertheater ziehen? Ein Urteil über mögliches Fehlverhalten – wer, wann, was, warum – scheint unmöglich: Es stehen Aussagen gegen Aussagen. Obwohl ich selbst an der Universität Luzern arbeite, Tür an Tür mit den Theolog*innen, fehlt mir der Einblick in deren Fakultät.

Die Akteure und Abteilungen kämpfen um Macht und Ressourcenverteilung, um Mitsprache und Büroräume.

Was uns die Geschichte bietet, ist ein Einblick in das Universitäts-Innenleben. Die Vorgänge an der theologischen Fakultät, welche nun in Bruchstücken bekannt werden, kennt wohl jede*r, der mal an einer Universität arbeitete: Die Akteure und Abteilungen kämpfen um Macht und Ressourcenverteilung, um Mitsprache und Büroräume. (Obwohl mir schleierhaft ist, welcher Büro-Standort an der Luzerner Universität denn nun so viel besser ist als andere… Aber darum geht es hier nicht.)

Du denkst jetzt: Nun gut, solche Aushandlungen kennen die meisten Unternehmen und Organisationen. Das ist richtig. Aber zwei Faktoren verschärfen die Ausgangslage an der Universität Luzern:

  1. In einer akademischen Karriere darf man nicht stehen bleiben:
    Akademische Berufsfelder sind hochkompetitiv. Je weiter oben auf der Karriereleiter, desto dünner die Luft. Diese aus vielen Berufen bekannte Situation spitzt sich dadurch weiter zu, dass man im deutschsprachigen Raum auf dem akademischen Karriereweg nicht stehen bleiben kann – jedenfalls nicht, bevor man eine Professur innehat. Meistens sind die Arbeitsverträge befristet und man muss sich andauernd um weitere Projekte und Anstellungs-Finanzierungen kümmern. Und die eigene Forschung vorantreiben und verkaufen. Das bedeutet, wer im akademischen Bereich bleiben will, ist ständig um die eigene Profilierung bemüht. Und fragt sich: Welche Kooperationen nützen mir? Mit welchen Themen kann ich mich bei wem und wo klug positionieren? Und aus welchem Bereich halte ich mich lieber raus? Akademische Forschung, der ganze akademische Betrieb, ist durchsetzt mit vielen, oft impliziten Regeln und Vorgaben – und damit auch voller Stolpersteine.
  2. Die Uni Luzern wird vom Kanton an der kurzen Kosten-Leine gehalten:
    Der Kanton freut sich, eine Universität in seinem Portfolio zu haben – aber bitteschön soll sie möglichst wenig Kosten! Der Kanton versucht seit mehreren Jahren, seinen Beitrag an die Finanzierung der Institution – die sogenannte „Kostenabgeltungspauschale des Kantons Luzern an die Universität“ – zu verkleinern. Nun ist es so, dass die Luzerner Uni wächst. Der Kanton hat zwar in den letzten Jahren seinen Beitrag erhöht, aber da mit der Uni auch ihr Budget wächst, verkleinerte sich der Finanzierungsanteil des Kantons über die letzten Jahre stetig:uni-finanzierung_ausschnitt
    (mit diesem Link gelangst du zur vollständigen Grafik)

    Der Kantonsbeitrag ist den Launen und der steuerstrategischen Grosswetterlage im Luzerner Kantonsparlament ausgesetzt – so hatte der bisherige Finanzierungstiefpunkt (2016) seinen Grund im ausgiebigen kantonalen Sparprogramm. Ein Blick an zwei andere Schweizer Universitäten verdeutlicht die kurze Kosten-Leine in Luzern: In Zürich finanziert der Kanton 43 % (2017) der lokalen Universität, in Basel steuern die beiden Halbkantone zusammen über 45 % (2017) der Erträge bei.

    Der Kanton geizt mit seinen Mitteln – und strebt trotzdem gemeinsam mit der Universitätsleitung einen Ausbau des akademischen Angebots an. Besonders augenfällig sind diese Entwicklungen in der letztgültigen Leistungsvereinbarung zwischen Universität und Kanton für die Periode 2015 bis 2018. Diese sah an zahlreichen Orten einen Ausbau des Angebots und steigende Studierendenzahlen vor – bei gleichzeitig leichtem Rückgang des Kantonsbeitrags (S. 9 – in Realität wuchs der Kantonsbeitrag dann trotzdem). Da verwundert es nicht, wenn dann beispielsweise die Graduate School (das Nachwuchs-Förderungs-Institut der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät) ihre Leistungen für Doktorand*innen abbaut, während das Papier vorsah, dass genau dieses Angebot ausgebaut werden soll (S. 7).

    So läuft das in Luzern: Der Uni-Ausbau als Sparprojekt.

     

    Das bedeutet für die Universität: Drittmittel her! Der Aufbau der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät erfolgte auf Geheiss des Kantons gleich komplett ohne kantonale Beiträge – deshalb zieren nun diverse, teilweise anonyme Donator*innen den Uni-Jahresbericht 2017. Aber der Kanton hat seine Ziele erreicht: Für die zusätzliche Fakultät kein Geld ausgegeben – respektive sogar gespart, weil nun einige Wirtschaftsstudent*innen weniger auswärts studieren (und Luzern deshalb für sie keine Beiträge an andere Kantone entrichten muss). Und die Zahl der Studis soll natürlich weiter wachsen – da darf man ruhig auch mal die Gepflogenheiten ritzen und den anderen Universitäten mit viel Werbung die Frischlinge wegschnappen. So läuft das in Luzern: Der Uni-Ausbau als Sparprojekt. Und gespart wird hier bekanntlich um fast jeden Preis.

Diese beiden Faktoren beeinflussen das Arbeiten und Forschen an der Uni Luzern. Gestritten um Ressourcen wird an allen Universitäten. Aber im Kanton Luzern ist der Kuchen, der verteilt wird, etwas kleiner. Und das Strampeln um Prestige, externe Fördermittel und Studierende etwas strenger.

Ein solches Klima provoziert Reibungsflächen. Ob darin der entlassene Theologie-Professor und/oder andere Uni-Angehörige die Grenzen des Erlaubten überschritten haben, wird sich weisen. Der nächste Akt ist eröffnet, und dank meinem Kollegen Urban Frye hat die Politik nun die Bühne betreten. Schön wäre es, wenn Luzern als Trägerkanton der Universität nicht nur im Fall des Theologie-Professors seinen Verpflichtungen nachkäme, sondern ganz generell. In Form von genügend finanziellen Ressourcen. Und dem Stolz, in Luzern auf kleiner, aber leuchtender Flamme wissenschaftliches Denken und Schaffen zu fördern. Dieser Stolz würde die akademischen Geister in Luzern bestimmt beflügeln.

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